Der digitale Zwilling und sein ökologischer Fußabdruck: Planungswissen von der ersten Skizze an
Kreislauffähigkeit, CO2-Fußabdruck, Materialgesundheit – nachhaltige Gebäude brauchen mehr als gute Absichten. Sie benötigen Datengrundlagen. Das Wiener Architekturbüro FOAM, das bereits eine solide BIM-Praxis etabliert hatte, geht nun einen Schritt weiter und integriert Nachhaltigkeitsbewertungen direkt in den Planungsprozess. BIM-Manager Thomas Brenner gibt Einblicke, wie damit nicht nur bessere Entscheidungen getroffen werden, sondern auch Bauherren überzeugt werden können.
Schleichender Paradigmenwechsel: Vom Kostenfaktor zum Wettbewerbsvorteil
Der Wind dreht sich in der Architekturbranche. "Seit die EU-Taxonomie uns die Rute ins Fenster gestellt hat, ist Nachhaltigkeit plötzlich ein Thema", beschreibt Thomas Brenner, BIM-Manager beim Wiener Architekturbüro FOAM, den Wandel. "Die Taxonomie diktiert mittlerweile, welche Konditionen man für Kredite und Finanzierungen bekommt." Bei Bauprojekten im zweistelligen Millionenbereich kann ein halbes Prozent Zinsunterschied bereits tiefgreifende Auswirkungen haben und über die Realisierbarkeit entscheiden.
Die Quadratur des Kreises: Praxis trifft Anspruch
"Jeder Planer bringt ein gewisses Grundverständnis für Nachhaltigkeit mit", erklärt Brenner. Doch bisher wurden konkrete Berechnungen oft nach außen vergeben. "Mittlerweile haben wir auch Mitarbeiter, die Zertifizierungen gemacht haben und das grundsätzliche Taxonomie-Know-how ins Büro bringen", betont er. Die Herausforderung: dieses Wissen effizienter in den Planungsprozess zu integrieren.
Konsequent auf seinem Weg der digitalen Transformation suchte FOAM nach einem integrierten Ansatz. Nach einem Messebesuch auf der BIM World 2023 entschied sich das Büro für den Cockpit.Planner, ein BIM-Bibliotheksmanagement mit integrierter Ökobilanzierung, das auf der bestehenden Datenstruktur aufbaut.
Daten als Entscheidungsgrundlage: Von der Skizze zur Ökobilanz
"Was uns überzeugt hat, ist die direkte Anbindung an unsere Planungssoftware Revit", erklärt Brenner. "Wir haben diese Nachhaltigkeitsinformationen von Anfang an im Projekt integriert, ohne wie bei anderen Tools einen Export machen zu müssen."
Der Clou: Selbst im frühesten Planungsstadium liefert das System bereits erste Anhaltspunkte zur Ökobilanz. "Man hat schon mit Platzhalterelementen einen guten Überblick darüber, wie man ökologisch dasteht", schwärmt Brenner. "Das ist der beste Zeitpunkt, um grundlegende Konstruktionssysteme zu überdenken."
Vom unscheinbaren Datenpunkt zur Designentscheidung
Die Nachhaltigkeitsdaten eröffnen neue Perspektiven. Während manche Zusammenhänge intuitiv verständlich sind – "dass ein Vollwärmeschutz nicht gut ist, weil es einfach nur Plastik ist, das nicht verrottet" – überraschen andere Erkenntnisse.
Besonders die Rezyklierbarkeit von Materialien hat es Brenner angetan: "Da bekommt man oft überraschende Informationen präsentiert. Es wird immer wichtiger, dass Bestandsgebäude abgebrochen oder umgebaut werden können. Je besser man das Material wiederverwenden kann, desto besser."
Von Silo-Denken zur Common Data Environment
FOAM hatte bereits einen gut strukturierten Ansatz für zentrale Bibliotheken etabliert. Der Schritt zu einer echten Common Data Environment mit dem Cockpit.Planner baut auf dieser Basis auf und löst viele der verbleibenden Probleme: "Mit einer zentralen Datenbank ist es wesentlich einfacher zu kontrollieren, dass der Datenstand nicht auseinanderläuft. Wir können in der zentralen Cloud alle Daten im Blick haben, verwalten und adaptieren."
Das Beste aus beiden Welten: Planer und Experten an einem Tisch
Die Weiterentwicklung des BIM-Ökosystems ermöglicht eine nahtlosere Zusammenarbeit. "Was großartig ist: auch Mitarbeiter, die nicht in der Autorensoftware arbeiten, können im Cockpit Varianten ausprobieren", beschreibt Brenner. "Man kann mit einem Klick eine Konstruktion gegen eine ökologischere Variante austauschen."
Der Vorteil: "Die Entscheidungskreise sind wesentlich schneller, als wenn die Information nachträglich von extern kommt." Die im Büro vorhandenen Nachhaltigkeitsexperten können unabhängig vom Modell Varianten durchspielen – ein echter Common Data Environment-Ansatz, bei dem alle Projektbeteiligten auf dieselbe Datenbasis zugreifen.
Agilität statt Silodenken: Daten in Bewegung
"Ein Riesenschritt ist die Möglichkeit, Daten herauszuziehen und selbst aufzubereiten", erklärt Brenner. "Wir haben mittlerweile die Flexibilität, über die Schnittstelle zu Power BI mit den Daten zu spielen."
Diese Flexibilität ermöglicht es, Daten nach unterschiedlichsten Kriterien zu analysieren und für verschiedene Stakeholder aufzubereiten – sei es nach "Flächen, Materialien oder Kreislauffähigkeit". So entsteht ein intelligentes Ökosystem aus Planungswissen, das alle Phasen der Gebäudeplanung durchdringt.
Fazit: Der digitale Zwilling und sein Öko-Zwilling
Die Geschichte von FOAM zeigt, wie ein bereits BIM-erfahrenes Büro den nächsten logischen Schritt geht: Von einer gut strukturierten digitalen Planung hin zu einer umfassenden Common Data Environment, bei der das digitale Modell von Anfang an mit Umweltinformationen angereichert wird.
"Nachhaltige Planung gelingt, wenn man die Kosten argumentieren kann", fasst Brenner zusammen. Die Strategie von FOAM zeigt dabei, dass erfolgreiches digitales Arbeiten nicht durch radikale Umbrüche, sondern durch konsequente Weiterentwicklung der bestehenden Prozesse gelingt – ein evolutionärer Ansatz auf dem Weg zur nachhaltigen Architektur.
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Das Wiener Architekturbüro FOAM ZT GmbH arbeitet schwerpunktmäßig im Wohnbau und erweitert sein Portfolio aktuell in Richtung Asset Management und Bestandsimmobilienbewertung mit Fokus auf Taxonomie und Nachhaltigkeit. Als BIM-Manager verantwortet Thomas Brenner die Entwicklung und Bewahrung der BIM-Standards im Büro.
Der Cockpit.Planner ist ein intelligentes BIM-Bibliotheksmanagement für Material-, Konstruktions- und Bauproduktdaten von Die Werkbank IT. Mit zertifizierten Nachhaltigkeitsdaten aus der EPEA Generic Materialdatenbank sowie der ÖKOBAUDAT ermöglicht er eine projektbegleitende Ökobilanzierung von Gebäuden direkt aus der CAD-Software heraus.